Ein kurzes Essay von Christoph G. Staus
„Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen, erstarket die Glieder und würzet das Mahl.“
singt der Jägerchor im Freischütz von Carl Maria von Weber und hätte damit in einem Satz,
oberflächlich betrachtet, beinahe schon alles auf den Punkt gebracht.
Wären da nicht noch einige Aspekte, die einem vernunftbegabten und empathischen Menschen
mehr abverlangen. Ich habe mich vor Jahrzehnten als junger Mensch dazu entschlossen Jäger zu
werden, um mich als „Stadtfrack“ in der Natur zu integrieren und zu bewähren. Dabei hatte ich
das entscheidende Glück in meinem Freundeskreis auf ferme, erfahrene Jäger zu treffen, bei
denen ich alles nachfragen konnte und die mir immer gute Ratgeber waren.
Fast alle von ihnen sind schon in die ewigen Jagdgründe abberufen worden, durch ihr
weitergegebenes Wissen bleiben sie aber präsent.
Sehr rasch hatte ich drei elementare Faktoren ausgemacht, die einen guten Jäger ausmachen:
- Jagdliches Wissen, das sind umfassende wildbiologische Kenntnisse, die kann man lernen
und ein sicheres Ansprechen des Wildes, das braucht einen Lehrmeister. - Respekt und Verantwortung bei der Entscheidung ein Leben zu nehmen.
- Solide Kenntnisse von Waffen-Technik und -Wirkung, Munitionskunde und Ballistik.
Ergänzend dazu kam noch von Anfang an mein Bestreben ein nicht störender Faktor in der Natur
zu sein.
Ein Vorbild sind hinsichtlich der wesentlichen Gesichtspunkte die indigenen Jäger Nordamerikas,
die ich für die besten überhaupt halte. Seit Menschengedenken haben sie mit höchster
Geschicklichkeit nur das Wild entnommen, welches sie für ihr Leben benötigten und es als
gleichberechtigtes Lebewesen geachtet.
Bei einer Ehrung, die ich einmal als „Alter Hase“ erhalten hatte, habe ich in einer kurzen
Dankesrede einigen Jungjägern unter anderem nachdrücklich ans Herz gelegt:
„ Übt den treffsicheren Umgang mit euren Waffen. Das Wild welches ihr bejagt hat ein
fundamentales Recht auf einen möglichst sauberen Schuss“.
Damit meine ich nach frühzeitigem Erkennen und raschem Ansprechen des Wildes einen nicht
überhasteten, aber doch zügigen, gut platzierten Schuss unter Berücksichtigung von Entfernung
und Schusswinkel und daraus resultierender Trefferpunktlage.
Die Einschränkung „möglichst“ bezieht sich einerseits auf die Verantwortung eines guten
Schützen und andererseits auf jene Sekundenbruchteile, wenn das Geschoss den Lauf bereits
verlassen hat und keine Einflussnahme mehr besteht, Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel eine
Windböe, oder eine Bewegung des Stückes. Ein geübter Jäger wird das durch das Zielfernrohr
erkennen und in Verbindung mit den Schusszeichen davon ausgehen, dass der Treffer vielleicht
nicht optimal sitzt.
Vor dem Schuss hat sich der Schütze im Klaren darüber zu sein, wie komme ich an das erlegte
Stück heran, wie berge ich es anständig und ein sauberes Aufbrechen und die ordentliche
Versorgung sind ebenso elementar, wie gelebte Traditionen und Rituale.
Sind Ziel, Schuss oder Kugelfang unsicher muss es heißen Finger weg vom Abzug.
Ein besonderer Lehrmeister war mir mein Jagdfreund Sepp, in dessen Eigenjagd in St. Aegyd am
Neuwalde ich in meinen frühen Jahren jagen durfte. Er kannte sein Gebirgsrevier genau, bewegte
sich darin trittsicher und schnell wie eine Gams und er hatte einen beispielhaften Ausgleich
zwischen seiner Verantwortung als Forstwirt und ambitionierter Jagdinhaber gefunden.
Daran könnte sich Österreichs größte Forstfabrik mit ihren routinemäßigen
„Wildbekämpfungsstrategien“ ein Beispiel nehmen.
Seine gelegentliche Begleitung war lehrreiche Herausforderung.
Auf einen Aufstieg im Höllentempo, immer auf den Wind achtend, folgte eine Vorlesung der
schwierigsten Art, das Ansprechen des Gamswildes.
Oft standen schon bei unserem Eintreffen am Hochstand um die 30 Stücke auf über 200 Meter in
den Felsen. In angespannter Sorgfalt wurde mit dem Spektiv geduldig jedes Kitz seiner Mutter
zugeordnet, um eine schussbare Geiß ohne Kitz auszumachen, oder einen Bock nach seinem Alter
zu beurteilen.
Ein guter Schuss machte dem Sepp die größte Freude und danach sage er immer, „das getroffene
Stück habe den Schuss nicht mehr gehört“, da die Kugel schneller getötet hatte, als es den Knall
noch hätte vernehmen können.
Im Laufe der vielen Jahre hatte ich sehr unterschiedliche Jagdmöglichkeiten, vom stadtnahen
Wienerwaldrevier bis zu anspruchsvollen Bergrevieren mit Hochwild, Muffeln und Gams.
Zur Fortbildung und um meinen Beitrag zu leisten machte ich frühzeitig die „Reife“-Prüfung zum
Jagdaufseher und war über zwanzig Jahre als solcher tätig.
Ein selektiver Abschuss ist enorm wichtig, daher habe ich es immer vermieden jedes nur
irgendwie passende Stück übereilt zu erlegen um den Abschussplan zeitnahe zu erfüllen.
Um den Horizont im wahrsten Sinn des Wortes zu erweitern, ergriff ich immer gerne
Gelegenheiten in kleinen Gruppen im nahen und sehr fernen Ausland zu jagen.
Man kann nicht über die Jagd nachdenken ohne auch negative Aspekte anzusprechen.
Nach meinem Dafürhalten sollten diejenigen, die sich schon selbst als „Auch“-Jäger bezeichnen,
oder für die ein gelegentlicher bewaffneter Spaziergang aus gesellschaftlichen Gründen ausreicht,
von der Jagd besser die Finger lassen.
Ich bin auch kein Freund von „Aktivisten“, die nur peripher an die Jagd angestreift sind, noch nie
ein Stück erlegt und eigenhändig aufgebrochen haben und die Öffentlichkeit aus ideologischen
Gründen mit ihren wenig fundierten Ansichten strapazieren.
Gerade deshalb braucht es eine aktive Interessenvertretung und eine professionelle
Öffentlichkeitsarbeit, aber wir haben in unseren Reihen genug gestandene Jäger, die uns auch
hervorragend repräsentieren können und die wissen wovon sie reden.
Viele Bezirks- und Landesjägermeister sind genau solche.
Wenn ich schon bei einem kritischen Rundum-Schlag bin, gilt meine absolute Ablehnung
Jagdschädlingen der besonderen Art. „Wildschlächtern“, die in kleinräumigen Jagdgattern für viel
Geld ihre pathologische Mordlust ausleben, indem sie zusammengetriebenes Wild in großer Zahl
abknallen und sich dabei wie die ultimativen Herren über Leben und Tod vorkommen.
Das hat mit Jagd gar nichts zu tun, schadet aber unserem Image gewaltig.
Aber damit will und kann ich meine Gedanken zum Thema Jagd nicht beenden.
Ich hoffe, dass ich weder den Eindruck erweckt habe vom moralisch hohen Ross zu
argumentieren, noch entbehrliche Weisheiten ex cathedra zu verkünden. Nach bald 40 Jagdjahren
denke ich aber zu wissen wovon ich rede oder schreibe und ich beherzige noch immer den einen
oder anderen guten Rat, den ich als Jungjäger dankbar erhalten hatte.
Die Jagd ist vielfältig und anspruchsvoll, sie fordert einiges ab, belohnt aber reichlich.
Sie ist nichts für Ungeduldige, Statistiken belegen zum Beispiel, dass auf 11 Ansitzen ein Abschuss
kommt, doch Anblick hat man fast immer, mit überraschenden und beglückenden Momenten.
Zudem ist jeder Ansitz, besonders morgens, ein meditatives und kontemplatives Erleben, obwohl,
oder gerade weil alle Sinne gefordert sind. Jagdfreunde und Erfahrungen sind im Gedächtnis
eingemeißelt und bleiben es, ein wunderbares Jägerleben lang.