SR Dipl. Ing. Hermann Prossinagg (†)
Ich freue mich Gelegenheit zu haben über ein Thema aus der Geschichte der Jagd zu Ihnen zu sprechen, das bisweilen sehr wenig behandelt wurde, obwohl es allgemein bekannte Ereignisse sind die ich anführe, die aber zu wenig aus dieser Sicht beurteilt werden. Erwarten Sie auch nicht etwa eine Geschichte über die Art der Bejagung des Wildes, sondern vielmehr eine Untersuchung über die Beeinflussung der Jagd durch den Zeitgeschmack, aber auch vom Einfluß, den die Jagd auf die soziale Ordnung und auf die kulturelle Entwicklung der Bevölkerung – auch auf den nicht jagenden Teil – ausgeübt hat, der uns bis heute kaum zum Bewußtsein kommt.
Die Jagd in der Steinzeit
Ich muß dabei bis in die Steinzeit zurückgreifen, denn bereits zu dieser Zeit war die Jagd mehr als nur eine Methode, um den Fleischbedarf zu decken. Dem Menschen gelang es gerade in dieser weit zurückliegenden Zeit nicht immer mit einer Beute heimzukehren. – Dafür wurde das Wild beobachtet, Schlüsse gezogen und Entscheidungen getroffen, welche Chancen gegeben sind, um des Wildes habhaft zu werden, und damit war die Jagd auch ein direkter Weg zur Menschwerdung, nämlich zum Sammeln von Erfahrungen, ein Weg vom Naturtrieb zum Intellekt, eine Schulung von Vernunft und Verstand. Es mußten viele Jahrhunderte vergehen, bis es der Mensch im Zuge seiner Entwicklung verstand sich Geräte für die Jagd anzueignen, . sie zu verbessern, bis es dem Menschen auch gelang Waffen mit Fernwirkung zu erzeugen. Wie sehr die Jagd den Menschen auch geistig beschäftigte, kommt in den vielen künstlerischen Darstellungsweisen des prähistorische Mensch anschaulich zum Ausdruck.
In den Höhlenmalereien von Südfrankreich oder Spanien standen Wild und Jagd im Mittelpunkt der Darstellungen, so als wären sie auch eine Zentrale seines Weltbildes gewesen. Ob dies mehr eine Form religiös-mysthischer Riten war, kann nur erahnt werden. – Soviel ist aber sicher, dass sowohl das Wild, wie auch die Frauengestalten, die sogenannten „Venusfiguren“, mit der Betonung von der Brust und Becken, und der Vernachlässigung des Kopfes und der Gliedmaßen, zu den ältesten von Menschen geschaffenen Sinnbildern zählen.
Der Jagderfolg und das Weib waren Voraussetzungen für den Weiterbestand einer Horde oder Sippe und es ist nicht von ungefähr, dass beides – Wild und Weib – in allen Kulturkreisen der Welt als mythologische Figuren und Naturgottheiten angesehen wurden. – Erst mit dem Aufkommen frühchristlicher Kulturen, vielleicht weil der Sündenfall mit der Frau in Verbindung gebracht wurde, ist das Darstellen von Frauengestalten im künstlerischen Schaffen zeitweilig zurückgegangen . – Trotzdem hat man die Jagd aber noch geachtet, denn selbst die Bibel spricht vom großen Jäger vor dem Herren.
Klassisches Altertum und die Jagd
Um auf die Jagd näher einzugehen, muß ich mich mehr auf den Ostalpenraum verlegen und hier waren es angeblich die Kelten welche uns die Reitjagd gebracht haben. Ob das wirklich stimmt, wissen wir nicht genau, sicher ist aber, dass sie uns ihre Rechtsauffassung in Bezug auf die Jagd gebracht haben, nämlich jene, dass die Jagd mit Grund und Boden verbunden ist.
Diese rechtliche Einordnung der Jagd war die älteste in unserem Raum, denn die Römer haben erst knapp vor Beginn unserer Zeitrechnung die Kelten aus dem Alpenraum vertrieben und mit ihnen hat sich auch die römische Rechtsauffassungen der Jagdfreiheit durchgesetzt und dieses Recht sollte noch über 600 Jahre in Geltung bleiben.
Im Laufe dieser Jahrhunderte haben jene Männer die den Kampf und die Jagd mit dem wehrhaften Willen suchten, eine gewisse Sonderstellung eingenommen und mit der Zeit hat sich auch das Recht des Stärkeren und des Kampferfahrenen immer mehr durchgesetzt. So haben sich auch viele Jäger eine höhere Position in der Rangordnung der primitiven Gesellschaft angeeignet, und im ständigen Kräftemessen waren sie als erfolgreiche Streiter auch die Wegbereiter für die sozialen Klassen und für eine Ordnung nach ihren Vorstellungen im noch hordenmäßigen Zusammenleben der Menschen.
Der Schritt zur Jagdkultur
Schon im 7. Jahrhundert wollte der Merowingerkönig Dagobert die Jagd auf wehrhaftes Wild als ein exklusives Recht für die adelige Klasse haben, sozusagen als Trainingsobjekt für junge Adeligen. Ob er dieses Privileg durchgesetzt hat, weiß man nicht genau. Soviel ist nur bekannt, dass er zu jenen Landesfürsten zählt, die erstmals strenge und exakte Vorschriften bei der Ausübung der Reitjagd anordnete, die auch von seinen Nachfolgern befolgt und erweitert wurden.
Mit diesen Grundsätzen, zu denen weitere Regeln und sittliche Wertbegriffe bei der Verfolgung des Wildes hinzu kamen, nahm allmählich eine eigene Jagdkultur ihren Anfang, als man unter „Kultur“ noch einfach den Umgang mit der Natur, dem Erkennen und Benutzen ihrer Inhalte verstand, so wie es auch die griechischen und römischen Philosophen in ihren Schriften beschrieben haben. Man unterschied auch zwischen der Wildhetze, der sog. lauten Jagd oder „venatio clamosa“, und der Pirsch mit dem Bogen oder mit der Armbrust, der sog. lautlosen Jagd, der „venatio placita“. – Beide Jagdarten waren voll anerkannt, denn für beide Jagdarten gab es genaue Verhaltensmaßregeln. Das einfache Erschlagen oder Fangen des Wildes war für die Angehörigen der höheren sozialen Klasse verpönt und auf die damals üblichen primitiven Methoden des „niederen Volkes“ Beute zu machen, blickte man überheblich herab.
Die Jagdregale
Etwa seit dem 7. Jh. haben sich die Könige im gallischen-germanischen Raum, ganz nach römischen Vorbild, erobertes Land als ihr Eigenbesitz angeeignet. Grenzwälder wurden sozusagen „forstliche Sperrgebiete“, nämlich Bannwälder, in denen weder geschlägert, noch gejagt werden durfte. Bald war aber der „Waldbann“ vom „Wildbann“ überlagert, die Jagd wichtiger als die Holznutzung.
Während der außerordentlich langen Regierungszeit von Kaiser Karl dem Großen, die fast 46 Jahre dauerte, gab es für den Kaiser reichlich Gelegenheit sich Besitz- und Nutzungsrechte anzueignen. Zu diesen königlichen Rechten, den Regalen, gelöst von Grund und Boden, zählte etwa das Münzrecht, das Berg-, das Salz- und das Forstrecht, die primär der Finanzierung der Staatsauslagen dienten.
Als begeisterter Jäger betrachtete Kaiser Karl im gesamten Reich das Jagdrecht, als Teil des Forstrechtes, so viel wie ihm allein zugehörig. Abgesehen von einigen wenigen Jagdrechten fremder Grundbesitzer auf ihrem Boden und einer Anzahl nicht ganz klarer Rechtsgrundsätze, ging allmählich das Recht zur Jagdausübung, ohne Rücksicht auf den Besitzstand, als echtes Regale allein auf den König über. In den folgenden Jahrhunderten wurde vom römischen deutschen König das Jagdrecht auch an Vertreter des Hochadels, sowie der Kirche und der Klöster verliehen – als Lehen – sowie als besondere Auszeichnung auch für immer, als „Allodium“ vergeben. – Dieses Anvertrauen von Jagden diente dem König dazu, sich das Wohlwollen einflußreicher Fürsten zu sichern, politische Ziele durchzusetzen und seine Chancen bei der Königswahl anzuheben. Eine Schenkung der Jagdrechte erfolgte im 8. Jahrhundert an den damaligen Salzburger Bischofssitz. Auch die Rechtsauffassungen wurden damals neu überdacht. Nachdem das Wild nach römischem Recht herrenlos war, durfte es auch nicht von jedermann bejagt werden, denn es gehörte – wie alles herrenlose Gut – ausschließlich dem Landesherren. Er bestimmte welche Wildarten nur von ihm und von den Inhabern des Jagdrechtes gejagt werden durfte, und dieses Wild bezeichnete man dann als „Hochwild“, nämlich als Wild der hohen Herren. Die Listen dieser als „Hochwild“ genannten Arten wurde von den Landesherren nach eigenen Vorstellungen festgesetzt. Daher verstand man unter Hochwild nicht immer das Gleiche, nur der Rothirsch, das Wildschwein und der Auerochs, der „U(h)r“, zählten immer zum Wild der hohen Jagd, bis schließlich Maria Theresia das Schwarzwild zum Schadwild erklärte, das von jedermann bejagt werden durfte.
Alles übrige Wild durfte vom niederen Volk gejagt werden und zählte daher zum „Niederwild“ oder zum Wild der niederen Jagd, der „Reisjagd“. Der Ausdruck Reisjagd geht auf das „Reis“ oder „Reisig“ zurück, in der Bedeutung von Gebüsch oder Unterholz, in der man die Reisjagd in der Regel ausübte.
Jagdrechte in den Ostalpen
Wegen ihrer Entlegenheit und ihrer schwierigen Begehbarkeit waren die Ostalpen vorerst von diesen jagdlichen Bestimmungen wenig berührt. Hier behielten Agrargemeinschaften und lokale Autoritäten ihre Jagdrechte, so wie sie schon früher bestanden hatten. Ob sie auch eine echte Rechtsgrundlage besaßen, wissen wir heute nicht, es ist nur bekannt, dass Rechtsstreitigkeiten Jahrhunderte später ausgetragen wurden.
Nach dem Zurückdrängen der Magyaren aus dem Donautal von Bayern aus, wurde das Gebiet der Ostalpen einer Besiedlung und Christianisierung unterzogen und dabei folgten Königsschenkungen an Adelige, an Kirchen und Klöster. Im Jahre 966 wurde dem Markgraf Luitpold, dem Babenberger, die Ostmark anvertraut, und in späteren Jahren kamen auch noch weitere Jagdrechte hinzu. Auf die Unantastbarkeit der verliehenen Jagdregale achtete man aber hauptsächlich in der Nähe der Residenzen, und nur in entlegenen Gebieten war man damit nicht so genau. – Mit der Schwächung der Zentralgewalt des Kaisers beanspruchten auch kleinere Fürsten und Grafschaften unter gleichen Prämissen für sich Regalien, und auch noch Verwaltungsbeamte, als verlängerter Arm der Landesherren, die Ministerialen, eigneten sich aus eigener Machtvollkommenheit Jagdrechte an.
Das hohe Ansehen der Jagd
Die Jagd behielt als ehrenwerte und wagemutige Tätigkeit die ganze Zeit Ihren guten Ruf und dies ist auch in der gesamten Dichtung des Mittelalters noch zu verspüren. In romantischen und mannhaften Dichtungen und Sagen, im Rolandepos, der Artussage, der Nibelungen und im Minnegesang zählten Jagderlebnisse zu den gängigsten Rahmenhandlungen, um Spannung in die Geschichte zu bringen und um prominente Persönlichkeiten auch heroisch darzustellen. In zahlreichen Legenden und Überlieferungen bezwangen die Jäger Ungeheuer oder trafen in Lichtungen oder an Quellen die Feen und Nixen, welche ihnen zum Sieg und zum Ruhm verhalfen.
Interessant ist dazu, dass in den Textillustrationen der Handschriften des Mittelalters, das Wild und die Jagd ihren festen Platz hatten. Selbst in den Rechtsbüchern und in den Liedersammlungen, etwa der Manessischen Handschrift, gibt es gut ein Dutzend Zeichnungen mit jagdlichen Motiven, in denen die Farbgebung der Kleidung den Rang der dargestellten Personen erkennen ließ, als Zeichen für die des Lesens Unkundigen.
Für weiteste Kreise der Bevölkerung – auch für solche die von der Jagd ausgeschlossen waren – war die Jagd aber als Teil der Landeskultur und der allgemeinen Lebensführung voll akzeptiert und stand gegen Ende des Mittelalters als hoffähige Tätigkeit im Rang und in ihrem sittlichen Ansehen sogar weit höher als etwa das Schauspiel oder die Medizin.
Kirchenstreit und die Jagd
Während der Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser um ihr Primat, der im 12. Jh. einsetzte und viele Jahrhunderte noch andauern sollte, wurde die Jagd auch von der Kirche abgelehnt. Man erinnerte daran, dass der Hl. Augustin schon im 4. Jahrhundert wegen der großen Verwandtschaft der Jagd mit dem Kriege die Geistlichen aufgefordert hat, sich lieber eines ehrbaren und stillen Gebetes zu befleißigen anstatt das Wild zu verfolgen.
Das zähe Ringen um die Berechtigung jagen zu dürfen entzweite aber den Klerus, bis schließlich nur Mönchsorden und der niederen Geistlichkeit die Jagd völlig untersagt blieb. Die Kirchenfürsten jagten nicht anders als die weltlichen Landesfürsten und die Kirchen und Stifte behielten ihre verliehenen Jagdrechte.
Der enge Bezug der Kirche zur Jagd blieb aber dennoch erhalten. Zahlreiche Gründungslegenden von Klöstern stehen in engster Verbindung mit der Jagd. Der sagenhafte Hirsch mit dem Kreuz zwischen den Geweihstangen gab wiederholt Anlaß an seinem Erscheinungsort eine Kirche zu bauen oder – wie in Kremsmünster – wo der Sohn Herzogs Tassilo sich während des Kampfes mit einem Keiler tödliche Verletzungen zugezogen hat. Auch jagdliche Motive als architektonische Besonderheiten oder Bildelement in Kirchen bezeugen deutlich diese enge Beziehung . Ausgerechnet das Prämonstratenserstift Geras hat noch eine merkwürdige Rehlegende aufzuwarten, die sich im Jahre 1627, also mitten im Dreißigjährigen Krieg, abspielte. Damals wollten die letzten 5 Mönche das Stift verlassen, als ein Rehbock vor dem Abt erschien und ihn flehend bat, er möge bleiben um der Gegend den Segen der Kirche zu belassen. Der Abt blieb, das Kloster wurde instandgesetzt und das Geweih des Rehbockes bekam auf einem geschnitzten Haupt einen Ehrenplatz im Kloster und ist bis heute noch zu besichtigen.
Gottgefälliges Recht und das Jagdrecht
Trotz des Rückganges der Macht der Kirche, blieb die mittelalterlichen Vorstellung vom Recht das in Gott begründet ist, davon unberührt. Gott, Recht und Gerechtigkeit waren soviel wie eine unerschütterliche Dreieinigkeit. Auch die daraus abgeleiteten Gesetze, sowie das soziale Gefüge der Gesellschaft, standen im Einklang mit dem göttlichen Willen und waren infolgedessen im üblichen Sprachgebrauch immer „uraltes Recht“ oder „uraltes Gesetz“.
In der Gewissheit gottgefällig zu sein wurden auch im Namen Gottes drakonische Strafen bei der Rechtsprechung gesprochen, denn auch der Richter war im Namen Gottes beauftragt, bei Mißachtung der göttlichen Ordnung sein Urteil zu sprechen. – Ob auch das exklusive Jagdrecht des Landesfürsten, das Jagdregale, als göttliche Ordnung empfunden wurde, ist nicht eindeutig erkennbar, ja es ergeben sich sogar Zweifel, denn zwar wurden Wilderer und solche die das Jagdrecht mißachteten mit außerordentlich schweren Strafen bedroht, sie sind aber sowohl von kirchlichen, wie auch von weltlichen Herrschaften nur selten so hartherzig bestraft worden, wie dies angedroht war, so als ob die Bestrafung doch nicht völlig vom göttlichen Willen beseelt gewesen wäre.
Nur die Bauernaufstände, ob ausgelöst vom Jagdunwesen oder nicht, wurden blutig niedergeschlagen und die Rädelsführer hingerichtet, denn sie bedrohten auch die übrige Ordnung. Wilderern gegenüber gab es sogar den Generalpardon der Landesfürsten und in Tirol wurden den Bauern Jagdfreiheiten belassen. Auch im übrigen Alpengebiet gewährten Klöster und weltliche Herrschaften – im offenen Widerspruch zu den Richtlinien des Kaisers im fernen Wien – der ländlichen Bevölkerung viele eigene Jagdfreiheiten.
Die höchste „Tugend“ der Jäger
Weil das Ergreifen und Niedermachen der Beute unvorhersehbaren Zufällen unterworfen war, sah der Jäger schon seit ältester Geschichte auch eine überirdische Gottheit, welche den Erfolg oder den Mißerfolg bestimmte. Daher darf man auch nicht erstaunen, dass man bis ins 19. Jahrhundert vom Jäger nicht nur Kraft, Mut und Geschicklichkeit erwartete, sondern als höchste Tugend die Gottesfürchtigkeit.
Wolf Helmhart von Hohberg, ein Landadeliger aus dem österreichischen Waldviertel, hat um 1650 die Georgica curiosa geschrieben, mit einer langen Reihe von Verhaltensmaßregeln für ehrenwerte Adelige. Im Kapitel über die Jagd empfahl er den adeligen Herren dringend „des Gebets in der Kirche nie überdrüssig zu werden“, sowie das gottlose Fluchen zu unterlassen und es auch in ihrer Umgebung nicht zu dulden.
Noch rund ein Jahrhundert später wurde in den Büchern von Friedrich Flemming und Wilhelm Döber fast wortwörtlich die gleichen Auffassungen vertreten, als man vom Berufsjäger ausdrücklich erwartete, dass er „zuförderst gottesfürchtig seyn solle und sich des Saufens, des Fluchens und der Hurerei so viel als möglich enthalte“.
„Gerechtigkeit“ in der Jägersprache
Der Ausdruck „Gerecht“, den man nach mittelalterlicher Denkungsart auf göttlichen Willen zurückführte, wurde in der Jägersprache bereits im Mittelalter auch in einem andern Sinn als heutzutage verwendet. Man verstand darunter soviel wie bewährt oder kundig in der Jagdpraxis, wie etwa fährtengerecht, hundsgerecht oder hirschgerecht. Genaugenommen verstand man aber unter „Jagen“ nur das Verfolgen des Wildes bis es gestellt oder mit der Stichwaffe abgefangen wurde. Daneben gab es noch andere Ausdrücke, wie etwa hetzen, pirschen oder beizen. Es gab aber auch noch andere Ausdrücke die heute fast vergessen sind, wie etwa, das Vogeln, nämlich den Vogelfang betreiben, das „Fahen“, womit man das Einfangen des Wildes mit Fallen und Netzen meinte, oder die Abschießung, nämlich die Schußabgabe von einem Ansitz oder allgemein die Schußabgabe auf fliegendes Wild, auf Flugwild. Fast außer Acht gelassen wird noch das „Prellen“ von Füchsen, Dachsen und von schwachem Schwarzwild, das in Netzten oder Tüchern solange hochgeschleudert wurde, bis es qualvoll verendete, ein Vorgehen das man auch zum „Jagen“ zählte. Nur jene, welche alle Jagdtechniken als Kunst eines Handwerks meisterlich beherrschten, bezeichnete man als „jagdgerecht“ und zu Ende des Mittelalters sprach man auch von „waidgerecht“, aber dies mehr im Sinne von „zünftig“ oder „ordentlich“ und auch nicht als „allgemein sachkundig“.
Die Malerei und die Jagd
Welchen Einfluß die Jagd auch auf das öffentliche Leben auslöste kommt auch deutlich in der darstellenden Kunst zum Ausdruck. Zu Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts setzte sich eine neue Ausdrucksweise in der Jagd durch und namhafte Künstler schufen Jagdbilder in einer bis dahin nicht bekannten Lebendigkeit in Bildkomposition, Schwung und Farbe.
Erstmals wird augenfällig wie Künstler mit der Jagd in ihren Bilder sich profilieren konnten, wenn sie ihre Auftraggeber als heldenhafte Jäger porträtierten. Auch die packend dargestellten Jagd- und Tierkampfszenen zählen dazu und erwiesen sich für viele Künstler als eine äußerst lukrative und einträgliche Tätigkeit. – Selbst Paul Rubens malte großflächige Jagdbilder und Lucas Cranach d. Ä. stellte den gut erkennbaren Fürst in den Mittelpunkt turbulenter Hirschjagden neben einem enorm großen Rudel hochkapitaler Hirsche, die von Reitern und Hunden ins Wasser getrieben und dort geschossen werden.
Die Jagd- und Wildgemälde des zu Ende gehenden 16. Jhs. haben alles bisher Dagewesene übertroffen, mit ihren paradiesischen Landschaften und einträchtig nebeneinander lebenden Tieren, mit dramatisch-ausdrucksvollen Tierkampfszenen und meisterlichen Jagdstilleben, alles farbenfroh und naturnah. Die steife gotische Art der Jagdbilder, wie in der Manessischen Handschrift, wurden zur lebendigen und dynamischen Darstellungsweise des Barock.
Jagdfeste beeinflussen die Jagdkunst
Inzwischen hat sich auch die Art der Jagdausübung geändert: Statt des bewaffneten und kräftezehrenden Kampfes mit dem wehrhaften Wild, wie in früheren Jahrhunderten, bevorzugte man die „Jagdlust“ der Abschießung des zusammengetriebenen Wildes von einer bequemen Tribüne aus, bei prachtvollen Jagdfesten mit ihren unglaublich hohen Massenabschiessungen. Diese Jagdfeste wurden in Fürstenhöfen und Adelssitzen als nobler Zeitvertreib eingeführt, und mit Sicherheit wäre die Entwicklung der Kunst ganz anders verlaufen, hätte es im 17. und 18. Jh. die Jagd in dieser besonderen Art nicht gegeben, denn für die Jagdfeste und Prunkjagden, für die Jagdschlösser und ihre Ausstattung, wurden Künstler aller Sparten benötigt. Bilder wurden gemalt, Teppiche mit Jagdmotiven gewebt, auf Porzellan Jagdszenen aufgebracht, Figuren gegossen und gemeißelt genauso auch Prunkwaffen mit prächtigen Applikationen hergestellt und eine theatralische Jagdkleidungen geschneidert.
Der neue Stil in der darstellenden Kunst, weitgehend von Frankreich ausgehend, hatte sich in fast allen deutschen Ländern und Fürstentümern durchgesetzt. Im österreichischen Raum war es vor allem Johann Georg Hamilton, vorerst im Dienste des Fürsten Schwarzenberg, der mit seinen rund 80 spannungsgeladenen Jagdbildern in Großformat zu den bekanntesten und betriebsamsten zählt.
Jagdliches Brauchtum
Wie in jeder Handwerkszunft, zu der damals auch die Jägerschaft zählte, kam aus Erfahrung und Wissen und angepaßt an jeweilige Erfordernisse und Nutzen ein eigenes berufstypisches Brauchtum auf. Es war getragen von einer verhältnismäßig kleinen Gruppe Menschen, die zur Jagdausübung zugelassen war und abgestimmt auf deren herkömmlichen und sittenstrengen Anschauungen, aber weit entfernt von den ethischen und moralischen Wertideen heutiger Tage.
Kaiser Karl VI., der Vater Maria Theresias, pflegte das Jagdjahr im Wiener Prater mit einem öffentlichen Fuchsprellen zu eröffnen, einer Veranstaltung der hunderte Wiener beiwohnten und das grausame Spiel begeistert bejubelten. Dies war genau jene Zeit, in der die Bevölkerung auch zu öffentlichen Hinrichtungen und Hexenverbrennungen drängte. Hätte das Prellen des Wildes gegen die Gefühle des Volkes verstoßen, dann wären sicher keine Zuschauer zugelassen worden.
Schuldgefühlen oder Erbarmen dem gequälten Tier gegenüber, denn es war alles rechtens und es geschah nach Gottes Willen. Die Gesellschaftsgruppe der Jäger bestand jedoch nicht nur aus Vertretern einer gehobenen sozialen Klasse. – Zu ihr gehörten neben den „gelernten“ Berufsjägern, auch die untergeordneten Jägerjungen, Zeugjäger und Hundsknechte aus dem Volk. Bei diesem „Jägerey-Personale“ gab es viele begabte Spezialisten, zwar des Lesens und Schreibens kaum kundig, aber äußerst geschickte Praktiker die es verstanden das Wild aufzuspüren, es zu verfolgen und in ihrer Flucht zu lenken. Dies erforderte viel Erfahrung, langwierige Vorbereitungen, das Bereitstellen von Treibern und Hindernissen. Das damalige jagdliche Brauchtum war daher einerseits auf die Jagdherrn ausgerichtet, auf die modische Fasson ihrer Kleidung, von Samt und Seide oder auf die Art der Waffen, andererseits aber auf das Jagdpersonal, auf das zweckmäßigste und gefälligste Verfahren das Wild zu den hohen und höchsten Herrschaften zu treiben.
Verteuerungen verändern das Jagdwesen
Zu Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigten die Reformen Kaiser Josef II. bedeutsame Folgen und eine gewaltige Verteuerung des Jagdbetriebes. Mit seinem Jagdgesetz vom Jahre 1786 ist erstmals eine Wildschadensvergütung gesetzlich angeordnet worden und anstatt des unentgeltlichen Jagdrobots, mußte der übliche Taglohn gezahlt werden. Danach kamen die napoleonischen Kriege und der österreichische Staatsbankrott von 1811 und eine weitere horrende Verteuerung aller Waren. Alle Bevölkerungsschichten bekamen die Geldverknappung zu verspüren, renommierteste Adelsgeschlechter verarmten und selbst der kaiserliche Hof und seine „Jagdkasse“ gerieten in Schwierigkeiten. Das kaiserliche Oberstjägermeisteramt konnte die Jagden nicht mehr halten und Angehörige des Geldadels und darunter auch viele neureiche Spekulanten, mußten zur Pachtung von Jagden zugelassen werden. Die einst „hochelitäre“ Gesellschaft der Jagdrechtsinhaber bekam einen „bürgerlichen“ Zuwachs und mit ihr veränderte sich auch die Wesensart der Jagd, die alte „Gottgefälligkeit“ der Jägerei wurde weniger und der wirtschaftliche Ertrag immer mehr gefragt.
Vorbild „steirischer Prinz“?
Nach Überwindung der Krisenjahre gab es in den kaiserlichen Revieren rund um Wien auch wieder Hofjagden, zwar nicht mehr in Samt und Seide, dafür aber auf hohe Streckenergebnisse ausgerichtet. Selbst „gesperrte Jagden“ wurden weiter arrangiert, aber nur in Tiergärten, und sie blieben für die Öffentlichkeit auch weitgehend unbemerkt.
Nur Erzherzog Johann, der „Steirische Prinz“, blieb mit seiner romantischen Ideenwelt und seinem Verlangen nach Bescheidenheit bei der Jagdausübung, eine Ausnahme im kaiserlichen Erzhaus. Mit seinem Aufruf zum Mitgefühl dem Wild gegenüber war er ein isolierter Mahner in der Wüste. – Am Wiener Hof lobte man zwar seine neuzeitlichen jagdlichen Auffassungen, aber keiner wollte es ihm gleichtun und die „Bürger mit Jagdrechten“ richteten sich nach den Sitten des kaiserlichen Hofes. Bis ins 20. Jh. sperrte das Jagdpersonal für Angehörige des Kaiserhauses das Wild – in der Regel 300 Stück für jede Hofjagd – oder mußte andere Vorkehrungen treffen für „Abschießungen zur Unterhaltung„, wie man es formell bezeichnete.
Folgen der Revolution von 1848
Nach der Revolution von 1848 wurde das Jagdrecht grundlegend geändert und alle Bürger zur Jagdausübung zugelassen. Jeder, der eine Jagdkarte gelöst hatte, durfte mit der Waffe das Revier betreten. Es scheint als wäre der Kaiser am meisten geschädigt gewesen, denn er hatte plötzlich weder ein Eigenjagdgebiet, noch die Möglichkeit, die Jagd in gewohnter Weise auszuüben. Bis dahin hatte er nur auf Fremdgründen gejagt und das Jagdrecht auf diesen Grundstücken mußte er nun pachten. Selbst der ummauerte Tiergarten bei Wien, den wir heute als „Lainzer Tiergarten“ bezeichnen, war Fremdgrund und mußte vom kaiserlichen Hof gepachtet werden.
Im bisherigen jagdlichen Brauchtum änderte sich aber trotz der großen Gegensätze zwischen dem Adel und der Masse des Volkes im Grunde genommen wenig, sieht man von den oft unfeinen Gepflogenheiten bei den „Bauernjagden“ ab. Die bis dahin vom Adel geübte Art der Jagdausübung ist von den „Neujägern“ übernommen und wie eine Art Standeswissenschaft bewahrt worden. Nur die Kirche bemühte sich deutlich darum die Dianen-Verehrung, die weit über rein jagdliche Kreise hinaus reichte, durch St. Hubertus zu ersetzen, der bis dahin in adeligen Jägerkreisen nur einer unter mehreren christlichen Jagdheiligen war.
Der Wildbretverkauf – Anpassung an die „Moderne“
Ein echter Wandel jagdlicher Gepflogenheiten erfolgte erst einige Jahrzehnte später und zwar ausgelöst vom Wildbretverkauf. Bis dahin wurde das Wild – abgesehen vom Schwarzwild – nur per Stück veräußert. Der Verkaufspreis richtete sich beim Rotwild danach, ob es „jagdbare“ oder „unterjagdbare“ Hirsche waren oder ob sie der Klasse der „Gabler und Spießer“ angehörten. Diskussionen über die „Taxen“ erübrigten sich, weil das Wild mit Haupt und Geweih zum Wildbrethändler kam. Auch beim Kahlwild gab es Preisklassen für Alt- und für Schmaltiere und schließlich für die Kälber. Am teuersten waren die jagdbaren Hirsche, nämlich jene vom 10-Ender aufwärts. Beim Verkauf „außer der Zeit“ war der Preis fast um die Hälfte niedriger als „in der Zeit“, womit die Schußzeit gemeint war, um die Jäger auf diesem Weg zu animieren, die Schonzeiten zu beachten.
Probleme ergaben sich erst etwa ab 1860, als einige adelige Jagdgäste aus norddeutschen Ländern das Geweih des erlegten Hirsches behalten wollten. Weil die Wildbrethändler bei Abgabe von Wild ohne Haupt nur die Taxe in der geringsten Preiskategorie bezahlten, mußte jeweils die Genehmigung Seiner apostolischen Majestät eingeholt werden. Erst ab 1876 entschloß sich das Oberstjägermeisteramt alles Wild nach Gewicht zu verkaufen. Preisunterschiede gab es auch für „geschossene“ und für „gefangene und gefederte“ Rebhühner und Fasane. Bemerkenswert ist auch noch, dass sowohl Fasane, wie auch Rebhühner vor den Hofjagden eingefangen und zum Jagdtag zur „Abschießung“ ausgelassen wurden.
Bedeutung der Geweihe
Den Handelswert der Geweihe, ob als Abwurf oder schädelecht, erkannte die kaiserliche Jägereikasse erst viel später. Noch rund 20 Jahre nachdem man sich entschloß das Wild nach Gewicht zu verkaufen, sind die Geweihe weiterhin zum Wildbretpreis mitgeliefert worden. Erst ab 1898 mußten sämtliche Abwurfstangen, sowie die Geweihe vom Fallwild und von jenen Hirschen die vom Schützen nicht ausdrücklich für sich beansprucht wurden, dem Oberstjägermeisteramt abgeliefert werden. Mitte Jänner wurden sie dort versteigert, ein Brauch der bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges eingehalten wurde. Auf die Geweihe legte man noch keinen generellen Wert, denn der eigentliche Sinn der „Trophäe“ hatte sich noch nicht durchgesetzt. Geschätzt waren, wie schon Jahrhunderte zuvor, nur starke und abnorme Geweihe, ohne Bezug zum Schützen. – Daher war in der Regel auch nur der Name des Besitzers von auffälligen Geweihen, oder des Schlosses in dem man sie besichtigen konnte, bekannt. Erzherzog Franz Ferdinand war der erste Vertreter des österreichischen Kaiserhauses der alle Geweihe und Gehörne des von ihm erlegten Wildes sammelte und sie auch peinlich genau registrieren ließ.
Die Weidgerechtigkeit
Zu Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich allmählich eine von Rührseligkeit geprägte Mentalität auch in der Jägerschaft durch, die sich vor allem gegen die „neumodischen Jäger“ richtete. Es waren dabei weniger die Bauernjagden welche den Ärger der Jäger alten Schlages erregten, sondern die vielen überheblichen städtischen Jäger die von sich reden machten, wenn sie mit ihren Repetierwaffen leichtfertig das Wild beschossen und verludern ließen. Dies war selbst bei jenen Jägern verpönt, welche noch „zur Unterhaltung“ das Wild abschossen – denn eine Nachsuche wurde immer vorgenommen !
Der österreichische Jagdschriftsteller Ernst Ritter von Dombrowsky hat sich im Jahre 1892 über diese „Aasjäger“ bitter beklagt und dazu gemeint: „Weidmann ist ein Jäger, der die Jagd weidgerecht ausübt, im Gegensatz zu den Schießern und Sonntagsjägern„. Dabei ist auch bei Dombrowski, ähnlich wie im Mittelalter, mit „weidgerecht“ soviel wie „zünftig“ zu verstehen gewesen und nicht mehr. Der Ausdruck „Weidgerecht“ fand in der Jägerschaft jedoch Gefallen und wurde immer öfters dem Sinn nach etwa wie zwischen „maßvoll“ und „mitfühlend“ gelegen verwendet, also ganz anders als im Mittelalter, als es solche Gefühlsregungen im Zusammenhang mit dem Wild gar nicht gab.
So erweiterte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts allmählich die Bedeutung des Begriffes „Weidgerechtigkeit“ und brach nach und nach aus der Enge des ursprünglichen Sinngehaltes aus, orientierte sich nach Denkweisen und sittlichen Ansichten der Zeit und entfaltete sich ständig weiter. Nie hat man darunter aber „alte jagdliche Grundsätze“ oder die Hege des Wildes verstanden, so wie man heute die Weidgerechtigkeit in manchen Landesjagdgesetzen noch definiert.
Wie ungleich gegenüber heute der Sinn der Begriffe „Weidgerechtigkeit“ und „Hege“ war, kommt im Buch „Kein Heger, kein Jäger“ von Ernst Graf Silva Tarouca vom Jahre 1899 deutlich zum Ausdruck. Schon im ersten Kapitel nennt der Autor als Zweck der Wildhege nicht etwa das Wohl des Wildes, sondern „trotz der ungünstigen Wirtschaftsverhältnisse, die Möglichkeit weidgerechter Jagdfreuden“ zu erhalten. Wie dies zu verstehen war, ist in seinem Erinnerungsbuch „Glückliche Tage“, das im Jahre 1923 erschienen ist, nachzulesen. Darin schildert Silva-Tarouca wie es ihm in einem einst völlig heruntergewirtschafteten Revier gelungen ist, mit „weidgerechten Maßnahmen“ das Wild derart anzuhegen, dass er in wenigen Jahren traumhafte Strecken erzielen konnte. In einem steirischen Gebirgsrevier gelang es Silva-Tarouca, sozusagen als Gipfel seines „Hegeerfolges“, an einem einzigen Morgen 24 Auerhahnen zu erlegen.
Jägerbräuche nach dem Ersten Weltkrieg.
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie blieben die alten jagdgesetzlichen Bestimmungen unverändert und mit ihnen auch der damals schon über 100jährige Geist der josefinischen Jagdgesetzgebung, wonach es allein dem Jagdberechtigten überlassen blieb, darüber zu entscheiden, ob er in seinem Jagdrevier das Wild in der Notzeit füttert oder nicht, oder zu welcher Zeit und wieviel Wild er erlegt. Eine Abschußplanung und eine Hegeverpflichtung gab es nicht, und die gesetzlich vorgeschriebenen Schon- und Schußzeiten waren nichts anderes als Rahmenbedingungen. Der Rehbock hatte beispielsweise Schußzeit bis zum 31. Jänner und Hirsche durften schon ab 1. Juni erlegt werden.
Die Gepflogenheiten bei der Jagdausübung hatte man von den ehemaligen adeligen Jagdherrn übernommen und sie als „uralte“ Tradition weiter gepflegt. Diese übernommen Gewohnheiten waren aber nicht im gesamten Ostalpenraum die gleichen. Dies hatte zur Folge, dass man im ländlichen Bereich selbst von Talschaft zu Talschaft und in den Städten von einem zum anderen Jagdverein, ein unterschiedliches jagdliches Brauchtum bewahrte.
Regelung des jagdlichen Brauchtums.
Genau genommen gab es erst ab den 30-er Jahren in der österreichischen Jägerschaft erste Bemühungen das jagdliche Brauchtum zu vereinheitlichen, hauptsächlich angeregt durch den preußischen Forstmeisters Walter Frevert, der mit der Herausgabe einer Broschüre über das jagdliche Brauchtum bekannt wurde. – Nach dem Anschluß Österreichs an Deutschland im Jahre 1938 und der Zusammenfassung aller Jäger in der Pflichtorganisation „Deutsche Jägerschaft“ war man zwangsläufig dem „genormten jagdlichen Brauchtum“ unterworfen, das im gesamten damaligen Großdeutschen Reich gültig war.
Viele der damals eingeführten jagdlichen Verhaltensweisen sind der Jägerschaft heute so vertraut, dass man sie gar nicht wegdenken kann, es aber einem auch nicht bewußt wird, zu welcher Zeit sie eingeführt wurden. Dies bezieht sich nicht nur auf die Abschußplanung und die Pflicht zur Hege des Wildes, sondern auch auf das Verhalten des Jägers von der Schußabgabe bis zur Streckenlegung, vom Hundewesen bis zur Falknerei und auch bei festlichen Anlässen.
Manche damals vorgeschriebene Formen des jagdlichen Zeremoniells hatten in Österreich von vornherein keine Chancen auf Verwirklichung. Dazu zählt vor allem das geforderte fast militärische Antreten der Jägerschaft zum sogenannten „Jägerappell“ in einer Uniform mit Achselstücken und Rangabzeichen am Kragen.
Inzwischen aber höchst beliebt und bei repräsentativen jagdlichen Veranstaltungen nicht mehr wegzudenken, ist das Jagdhornblasen mit ihrem „Fürst Pleß’schen Jagdhorn“, einem Blasinstrument hervorgegangen aus einem deutschen militärischen Signalflügelhorn, mit einer den Militärsignalen ähnlichen Lautsprache, die erst in jenen Jahren in Österreich eingeführt wurde. Inzwischen ist fast vergessen, dass es einst auch melodiös-tragende österreichische Jagdsignale gab, die nach dem Krieg jedoch bei der Jägerschaft nicht mehr angekommen sind, weil sie dem Geschmack der Zeit widersprachen. Auch muß man gerechterweise zugeben, dass die österreichische Jagdmusik weder eine alte und schon gar keine bodenständige Tradition je besessen hat, dass ihre Anfänge auf die 2. Hälfte des 19. Jhs. zurückreichen. [Siehe dazu den Artikel mit gegenteiligen Belegen von Mag. Bernhard Paul]
Das heutige Brauchtum
Mit der Normalisierung und Verbesserung der wirtschaftlichen Lebensbedingungen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – im Osten Österreichs gar nach dem Abzug der Besatzungstruppen – wurde auch das jagdliche Brauchtum neu entdeckt. Es war dies die Zeit in der lokale Traditionen noch unterschiedliche Ausdrucksformen des jagdlichen Brauchtums begründeten.
Hinzu kamen aber nach und nach auch ein völlig neues jagdliches Verhalten das wegen zeitgemäßen Erkenntnissen eingeführt werden mußte, oder etwa die Grundsätze bei der Schußabgabe aus ballistischen Erwägungen. – Es kamen aber auch völlig neu Sitten hinzu, aus rein gefühlsmäßigen Gründen, einfach nur weil man gewisse Handlungen als „schön“ oder „passend“ empfand.
Der tiefsinnige Brauch des „letzten Bissens“ im Äser des erlegten Wildes ist beispielsweise gar nicht so alt wie man es annehmen würde, denn er war nicht einmal dem Forstmeister Frevert bekannt und über den Bruch am Hut, ob als Beute- oder Standesbruch, auf welcher Seite und Weise er getragen wird, hat man sich auch erst lange nach Kriegsende geeinigt.
Die Verehrung von St. Hubertus, mit fast rituell anmutenden Feierlichkeiten, waren im Alpenraum – soweit überhaupt – nicht üblich und für Hubertusfeiern im Sinne der Erntedankfeste der Jäger oder für den Bau von Hubertuskapellen im Revier hatte man auch nicht die finanziellen Mittel. Bodenständiger waren viel eher der Heilige Ägidius, der Patron Kärntens, der Steiermark sowie der Jagd, dessen Namensfest am 1. September gefeiert wurde, wie auch von St. Eustachius, mit Namensfest am 20. September, der in einigen Orten im Osten Österreichs noch bis heute verehrt wird.
Sicher sind dies mehr Äußerlichkeiten, aber auch sie wurden schließlich vereinheitlicht, und heute fällt uns gar nicht auf, wie jung dieses jagdliche Zeremoniell mit den Jagdhornbläsern und der jagdlichen Dekoration eigentlich ist, auf das weder die Jäger noch die nicht jagende Öffentlichkeit verzichten möchten.
Die wesentliche Veränderung jagdlichen Verhaltens betrifft jedoch den geänderten Bezug zum Wild, die bedeutende Erweiterungen des Begriffs der Weidgerechtigkeit und die Zuwendung der Jägerschaft zu Angelegenheiten, die weit in Randbereiche des Jagdwesens hinein reichen. Die übernommene Verantwortung der gesamten Tierwelt und der Umwelt gegenüber, welche deutlich über ein Mitgefühl und Mitverantwortung zum Jagdwild hinausgeht, wird zum Ursprung und moralischem Gebot für eine völlig neue Jagdethik. Dieser Prozeß ist im Gange und noch lange nicht abgeschlossen, und wird auch vom Großteil der Jägerschaft verstanden und getragen.
Wenn sich die Art der Jagdausübung noch ständig den sittlichen Wertbegriffen der Zeit anpaßt, so ist dies aber kein erstmaliger Prozeß: Auch in der Vergangenheit wurde die Jagd nie lange im Gegensatz zu den Auffassungen der Zeit ausgeübt.
Dieser Beitrag wurde am Seminar in Geras 2000 vorgetragen und in der Festschrift „15 Jahre ÖCV – Hubertuszirkel“, 2001 publiziert.